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Langzeitbelichtung: Arbeit und Erfahrung in der Dresdner Kamera-Industrie der Transformationsjahre 1980 bis 2000

Die Technischen Sammlungen Dresden (TSD) führen seit dem Sommer 2022 in Zusammenarbeit mit dem Hannah-Ahrendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden (HAIT) filmische Interviews mit ehemaligen Mitarbeiter:innen der Foto- und Kinoindustrie Dresdens durch.

Das Projekt wird durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen gefördert.

Am 2. Oktober 1990, kurz vor den Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit, wurde unerwartet die Stilllegung des VEB Pentacon in Dresden verkündet. Mit dieser Entscheidung endete nicht nur eine traditionsreiche und international bedeutende Kameraproduktion. Mehr als viertausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des VEB Pentacon mussten sich neu orientieren. Ihre Erfahrungen in und mit der Transformation wollen die Technischen Sammlungen Dresden und das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) mit dem Filmemacher Theo Thiesmeier (Berlin) in einem gemeinsamen Projekt beleuchten. In filmischen Interviews, die Studierende der TU Dresden durchführen, werden die Lebensgeschichten von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unterschiedlicher Ebenen und Produktionsbereiche des VEB Pentacon dokumentiert. Die Interviews ergänzen unter dem Titel "Langzeitbelichtung" die Ausstellung der Technischen Sammlungen und werden im Forschungsfeld "Transformationsforschung" am HAIT wissenschaftlich ausgewertet. Darüber hinaus werden sie für die wissenschaftliche Nutzung auf dem Portal Oral-History.Digital zugänglich gemacht.

Biografische Gespräche

Unser Anliegen ist es, biografische Gespräche mit verschiedenen AkteurInnen aus den verschiedenen Bereichen und Hierarchie-Ebenen des ehemaligen Unternehmens aufzuzeichnen. Begleitet durch HistorikerInnen des HAIT sollen wichtige Aspekte der Transformationsforschung (Unternehmensabwicklung, Arbeitslosigkeit, Identitätskrisen) und auch die Genderthematik besonders berücksichtigt werden, da die bisherige Überlieferung nahezu ausschließlich männlich dominiert war. Es geht uns darum, die Gegensätze zwischen dem individuellen Erfolgserleben bei den Versuchen des technologischen Anschlusses an die neuesten Entwicklungen in der Fototechnik in den 1980er Jahren und den zunehmend als desaströs empfundenen Arbeitsbedingungen herauszuarbeiten. Es handelt sich um lebensgeschichtliche Interviews – d. h., die Teilnehmenden bestimmen weitestgehend selbst die Inhalte und den Ablauf und berichten aus ihrem Leben.

Die als dramatische biografische Ereignisse empfundenen Umbrüche, die Schließung der Dresdner Foto- und Kinoindustrie 1990, die schwierigen und manchmal erfolglosen Versuche einer Neuorientierung, die Transformationsprozesse bis spät in die 1990er Jahre stehen ebenfalls im Fokus. Die wissenschaftliche und praktische Begleitung durch das HAIT, die Umsetzung der lebensgeschichtlichen Erzählungen in eine ästhetisch gelungene und auch emotional packende filmische Form sollen den Weg für weitere Nutzungen bereiten.

2023 planen die Technischen Sammlungen Dresden anlässlich des Jubiläums der Einweihung des Ernemann-Turms am 31. Mai 1923 verschiedene Aktivitäten und möchten bei einer Ausstellung auch die ZeitzeugInnen-Interviews mit einbeziehen.

Erzählcafé im Ernemannturm

Seit Dezember 2022 laden die Technischen Sammlungen regelmäßig zu Erzählcafés in den Ernemannturm an der Schandauer Straße ein. Die Projektgruppe möchte hier mit weiteren ZeitzeugInnen ins Gespräch kommen, ihr Anliegen erläutern und zur Teilnahme einladen. An den ersten zwei Veranstaltungen haben fast 100 ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des früheren VEB Pentacon teilgenommen und von ihrer Arbeit als Ingenieur, als Bandarbeiterin, in der Betriebsleitung, in der Automatendreherei oder im Büro erzählt und Erinnerungsstücke mitgebracht.

Für manche war es ein Wiedersehen nach vielen Jahren, viele sahen sich aber auch zum ersten Mal, einige hatten seit 1990 den Kontakt zueinander aufrechterhalten. Sie kamen zu Wort, mit schönen und auch mit unguten Erinnerungen. Zu spüren war ein großes gemeinsames Interesse an den unterschiedlichen Erlebnissen der früheren Kolleginnen und Kollegen und daran, wie sie heute auf ihre Zeit im VEB Pentacon und auf dessen plötzliches Ende zurückblicken.