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05 Wenn Frauen kaum eine Rolle spielen …

Seit einigen Jahren analysiert die US-Medienkritikerin Anita Sarkeesian das Rollenbild von Frauen in Computerspielen. Mehrfach erhielt sie deshalb Vergewaltigungs- und Morddrohungen, auch aus der Gamer-Szene.
Sarkeesian stellte fest, dass eine der häufigsten Rollen eines weiblichen Avatars das Fräulein in Nöten sei. Dabei handelt es sich um eine schöne junge Frau, die von einem Monster oder Bösewicht bedroht wird und deshalb von einem Helden gerettet werden muss. Oft beginnt das Spiel mit der Gefangennahme eines solchen Fräuleins. Äußerst problematisch sieht Sarkeesian die geschmacklose Steigerung dieser Thematik, wo der Bösewicht die Seele der Frau gefangen hält und der Held das Fräulein töten muss, um sie vor ihrem eigenen „Unglück“ bzw. Fehlverhalten zu retten.
Bei vielen der kommerziell erfolgreichen Spiele ist es bis heute nicht möglich, eine Frau als Protagonistin zu wählen. In der Regel verkörpern weibliche Avatare zerbrechliche Charaktere. Ihre Erscheinungen sind kindlich, passiv, erotisch und ihre Kleidung ist minimalistisch gehalten, um weibliche Körperformen zu betonen.
Ein außergewöhnlich deutliches Beispiel für die Zurückstufung weiblicher Spielfiguren zeigt der Fall der Füchsin Krystal im Spiel Dinosaur Planet (1999), das Rareware für Nintendo entwickelt hatte. Der leitende Game Designer Shigeru Miyamoto gab das Spiel als Star Fox Adventures (2002) und mit einer zur Fräulein in Nöten degradierten Krystal heraus.
Im Gegensatz dazu werden männliche Charaktere vielfältig ausgestaltet: Monster, Gobelin, Roboter, Riesenaffe oder menschliche Helden kommen vor. Allerdings herrschen hier auch klassische Rollenbilder vor. Die männlichen Charaktere zeichnen sich durch Kraft, Macht und Überlegenheit aus. Eine Untersuchung von 2009 zeigte, dass damals in den Spielen der Großteil der Charaktere männlich und weiß war. Farbige, andere Ethnien, Kinder oder alte Menschen gab es kaum. Erst in neueren Produktionen kommen sie häufiger vor. Das liegt daran, dass bis heute ein Großteil der Spieleentwickler männlich und weiß ist. Ihr Weltbild prägt maßgeblich den Inhalt der Spiele. Durch ihre massenhafte Verbreitung und Beliebtheit haben sie einen großen Einfluss auf die gesellschaftliche Wahrnehmung.


Tomb Raider (1996) – Das einflussreichste Spiel mit Superheldin

Entwickler: Core Design
Publisher: Eidos Interactive
Genre: Action-Adventure, Einzelspieler-Spiel
Freigabe: USK 16


Der Computerspieldesigner Toby Gard entwickelte in Tomb Raider (dt. Grabräuber) für Core Design die Spielefigur Lara Croft. Er wollte etwas Neues machen, sich abheben von den starken amerikanischen Muskelmännern in den Spielen. So entstand die sexy aussehende, kluge, gebildete, durchtrainierte Einzelgängerin Lara Croft mit überdurchschnittlich großem Busen, Hotpants, Tanktop und zwei Pistolen rechts und links am Gürtel. Toby Gard war der Überzeugung, die Figur müsse, um Anklang zu finden, auch übertrieben dargestellt werden.
Die Meinungen zu Lara Croft gingen lange Zeit weit auseinander: Vor allem für Frauen war sie entweder ein Vorbild oder sie kritisierten die sexualisierte Darstellung und ihren Einsatz von Waffen.
Im Grunde ist Lara Croft das weibliche Gegenstück zur Filmfigur Indiana Jones aus den 1980er Jahren. Sie ist ebenfalls Archäologin und stammt aus altem englischem Adel, besucht Eliteschulen in England, bereist die alten Hochkulturen in Peru, Griechenland und Ägypten und kämpft gegen Verbrecher, Herrscher, Wesen aus der griechischen Mythologie, Wölfe, Bären, Dinosaurier und sucht archäologische Überbleibsel, sogenannte Artefakte.
Zum Spiel von Tomb Raider gab es auch mehre Filmversionen. Die Spielemacher wandelten in den seit 1996 insgesamt 18 veröffentlichten Tomb Raider Videospielen Lara Crofts Äußeres mehrfach um. Heute gilt sie als die erfolgreichste weibliche Spielfigur.


Glossar

Fräulein in Nöten (engl. Damsel in Distress): meist gefangener weiblicher Spielcharakter ohne eigenen Handlungsspielraum, den der männliche Held retten soll.